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Gute Chefs sind Mangelware
Sie streichen Boni ein, sie kündigen Mitarbeiter, sie führen Unternehmen in die Insolvenz – in der Öffentlichkeit erscheinen Führungskräfte oft erst, wenn etwas schiefgelaufen ist. Wie aber sieht ein guter Chef aus?

Natürlich brauche eine Führungskraft fachliche Kompetenz, sagt Gudrun Happich, die seit rund 20 Jahren Führungskräfte berät. Aber in erster Linie müsse sie Menschen führen können. "Ein guter Chef ist nur dann ein guter Chef, wenn er eine extrem gute Mannschaft hinter sich hat." Dementsprechend müsse er ein Gespür dafür haben, wie er sein Team mitnehmen und einbinden kann.

"Ich muss als Führungskraft eine Unternehmenskultur bauen, in der es den Menschen Spaß macht, zu arbeiten, wo Engagement von selbst kommt, wo Vertrauen herrscht, wo Respekt vor den Menschen herrscht," sagt Jörg Menno Harms, Aufsichtsratsvorsitzender von Hewlett Packard Deutschland gegenüber der DW. Damit scheinen deutsche Führungskräfte aber Probleme zu haben. Laut einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft geben nur 69 Prozent der in Deutschland Beschäftigten an, dass ihr Chef sie unterstützt. In anderen Ländern sieht das besser aus - im EU-Durchschnitt sind es 81 Prozent. Dabei erhöhen gute Vorgesetzte die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiter erheblich. Wissen deutsche Chefs das nicht?

Umsetzung mangelhaft

"Gute Führung beruht eigentlich auf wenigen, bekannten Prinzipien. Und im Grunde genommen kennen die vielen Führungskräfte in der Welt diese. Aber die Umsetzung, daran mangelt es. Das ist meine Erfahrung aus den letzten 40 Jahren nicht nur im eigenen Unternehmen sondern auch in Unternehmen, in die ich Einblick hatte", resümiert Harms.

Damit das anders wird, hat er in diesem Sommer die "Initiative zukunftsfähige Führung" mit gegründet. Sie soll jungen und erfahrenen Führungskräften eine Plattform bieten, um Erfahrungen auszutauschen. So soll bewährtes Führungswissen bewusster eingesetzt und schneller an die nächste Generation von Führungskräften weitergegeben werden. Nach seiner Erfahrung, meint Harms, hätten Vorgesetzte heute oft zu wenig Zeit.

"Wenn Führungskräfte nicht auf passen, haben sie heutzutage keine Zeit mehr zum Nachdenken über ihr eigenes Handeln oder über ihre eigene Führungskonzeption, über ihre eigene Führungskultur. Geschweige denn Nachdenken über das was sie gerade machen, ob das richtig ist." Das werde noch weiter zunehmen auf Grund der schnellen Veränderungen in der Welt, auf Grund der vielen Informationen. Damit müsse eine Führungskraft in der Zukunft sehr viel stärker rechnen und damit umgehen können.

Teams werden immer bunter

Eine weitere Herausforderung sei, dass sich die Zusammensetzung der Teams verändert hätte, sagt Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft. Früher hätten sie hauptsächlich aus männlichen Personen mittleren Alters bestanden. Heute dagegen gäbe es "einen zunehmenden Anteil von Älteren, von Frauen, von Personen mit Migrationshintergrund", so Stettes. In internationalen Unternehmen gäbe es außerdem Menschen aus unterschiedlichen Ländern, die an unterschiedlichen Orten sitzen, in einem Team. "Und das bedeutet, dass eine Führungskraft in der Lage sein sollte, die Anforderungen und Ansprüche des einzelnen Mitarbeiters, der einzelnen Mitarbeiterin, in Einklang zu bringen mit dem, was wirtschaftlich und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist aus Sicht des Unternehmens."

Zu viel Controlling

Nicht nur die Teams, auch die Unternehmenswelt wird immer komplexer und schneller, meint Happich im Gespräch mit der DW. In einem solchen Umfeld müsse sich eine Führungskraft auf die Mitarbeiter stützen können, Experten heranziehen, Arbeit delegieren – und eher als Moderator der Mannschaft wirken. "Stattdessen beobachte ich, dass sich Unternehmen in die Steinzeit zurück entwickeln." Das heißt, es gäbe immer mehr Controlling-Maßnahmen."Die Mitarbeiter und auch die Führungskräfte werden immer mehr dazu angehalten, zu controllen, irgendwelche Befehle auszuführen und gar nicht mehr über den Tellerrand zu gucken, sondern nur noch operativ abzuarbeiten, was von der Spitze verlangt wird." Ein solcher Spagat würde natürlich viele Folgeprobleme aufwerfen wie Burn-out-Ausfälle oder das Gefühl, die Arbeit sei nicht mehr zu schaffen. "Das kann auf Dauer nicht gut gehen", prognostiziert Happich.

Auch Harms meint, dass Controlling zwar wichtig sei. "Aber man darf es eben nicht so weit kommen lassen, dass ich zum Schluss nur noch alles kontrolliere und die Menschen außen vor lasse. Dann geht das Unternehmen, dann geht die Organisation zu Grunde." Außerdem kritisiert Harms, dass heutzutage häufig Führungskräfte der zweiten und unteren Ebenen nur noch ausführen, was ihnen von oben vorgegeben wird. Sie dürften keine gestalterische, eigenverantwortliche Arbeit leisten. "Dann besteht die Gefahr, dass sich vor allem das mittlere Management in Richtung technokratischer Führungskräfte bewegt. Und das ist eine ganz gefährliche Entwicklung."

Aufbruch einer neuen Generation

Die junge Generation wolle auf diese Weise nicht mehr führen, meint Harms. Sie würde gar nicht so viel Macht haben wollen, dafür aber mehr Zeit für Familie und Freizeit. Verständnis für geänderte Ansprüche gebe es bei der älteren Generation aber wenig. Dabei sei ein Umdenken dringend nötig. "Wir haben in den nächsten Jahrzehnten einen Bedarf an Führungskräften, den wir nicht decken können." Abgesehen von der demographischen Entwicklung, gäbe es auch immer weniger Menschen, die Führungsverantwortung übernehmen wollten, sagt Harms. "Auch das ist ein Zeitgeist. Und insofern wird jede Organisation sehr sogfältig mit dem Thema umgehen müssen in den nächsten Jahren."

Autor: Insa Wrede

Redaktion: Rolf Wenkel



Sigurd A.Röber

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