Facebook und kein Nachwuchs


Bild: Sigurd Roeber

Facebook ist erwachsen geworden. Das sagen zumindest Forscher, die sich mit dem Verhalten junger Internetnutzer auseinandergesetzt haben. Und auch in den Nutzerzahlen spiegelt sich das wider. Das Social-Media-Netzwerk hat im Jahr 2013 nämlich ein Problem. Vor allem die jungen Nutzer zwischen unter 35 Jahren wenden sich nach und nach anderen Plattformen zu, die für sie interessanter sind. Das sagte Facebook-Finanzchef David Ebersman höchstpersönlich auf einer Analystenkonferenz zu den Geschäftszahlen des Unternehmens. Die Aktie ging vorübergehend auf Talfahrt.

Ein Problem für Facebook ist das zumindest derzeit noch nicht, sagt der Medienpädagoge Niels Brüggen vom Münchner JFF-Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. "Im schnelllebigen Social-Media-Geschäft ist die Plattform mittlerweile so groß, dass sie derzeit nicht ernsthaft in Gefahr ist." Anders etwa, als Studi-VZ. Das Studentennetzwerk aus Deutschland hatte vor allem unter der Konkurrenz durch Facebook zu leiden und stellte 2009 seine Dienste in Spanien, Frankreich, Italien und Polen ein. "Das Problem bei dieser Plattform ist, dass es irgendwann keine Weiterentwicklungen gab", wirft Karsten Wenzlaff vom Institut für Kommunikation und soziale Medien in Berlin ein.

Das Interesse wach halten

Bei Facebook sei das anders. "Man kann schon sagen, dass die Plattform überaltert, aber das ist nicht schlimm", sagt Wenzlaff. Das Unternehmen bemühe sich, mit immer neuen Apps und Features interessant zu bleiben. Das hilft, die Nutzerzahlen aufrechtzuerhalten, wenn auch bei den jungen Nutzern nur eingeschränkt. "Die wollen mittlerweile eher für jede Funktion ein eigenes Netzwerk haben", so Karsten Wenzlaff. Fotos teilen die Jugendlichen bei Instagram. Chatten können sie per WhatsApp oder Snapchat, das bei jungen Leuten immer beliebter wird.

Dass Facebook deshalb aussterben wird, glauben die Social-Media-Experten nicht. Zwar liege die durchschnittliche Lebensdauer sozialer Netzwerke im Internet bei fünf bis sieben Jahren. Beispiele wie die im süddeutschen Raum bekannte Plattform "Wer kennt wen?" zeigten aber, dass die Nutzerzahlen zwar mit der Zeit zurückgehen, ein Kern aber meist dabeibleibt. Und wenn es negative Entwicklungen gibt, kauft Facebook die Konkurrenz, wie jüngst im Falle von Instagram, einfach auf.

Mangelnder Datenschutz kein Problem

Doch warum sinken die Nutzerzahlen junger Menschen bis zu einem Alter von 34 Jahren? Man müsse unterscheiden zwischen jungen Erwachsenen und Jugendlichen, da sind sich die Forscher einig. Mädchen und Jungen empfänden es zunehmend als "uncool", wenn sich ihre Eltern, Lehrer und Fußballtrainer im Netzwerk anmelden - der Vorwurf, Facebook sei "elternverseucht" machte die Runde. "Sie gehen ja auch nicht gern in dieselben Kneipen wie ihre Eltern", sagt Karsten Wenzlaff. Ein anderes Manko, das oft angeprangert wird, ist den Kids dagegen weitgehend egal und für sie auch schwer in den Griff zu kriegen: der mangelnde Datenschutz. "Die Privatsphäreneinstellungen bei Facebook sind sehr kompliziert und kaum einer weiß eigentlich, wer was davon sehen darf, was ich poste."

Das Netzwerk habe sich durchaus "jugend-unfreundlich" entwickelt, so der Kommunikationsforscher. Bekamen Nutzer früher noch alle Neuigkeiten ihrer Freunde angezeigt, selektiert Facebook mittlerweile. "Damals war das alles viel interessanter", glaubt Wenzlaff, der Facebook für schlichtweg zu kompliziert hält. Außerdem wechselten die User eher - die Hürden zu anderen Portalen sind gesunken. Niels Brüggen: "Früher wollte man keine anderen Netzwerke nutzen, weil man seine 400 Freunde nicht neu eingeben wollte. Heute geht das oft automatisch." Zumindest mit Smartphones - und die haben heute die meisten. Jugendliche nutzen sie etwa für den beliebten Chatdienst WhatsApp. Summa summarum hat Facebook so im ersten Quartal 2013 in den USA rund 1,2 Millionen Nutzer verloren, rechnet die Analysefirma Socialbakers.

Passive Teilnahme

Panik muss bei dem Unternehmen deshalb aber noch lange nicht ausbrechen. Zum einen schwanken Nutzerzahlen seit jeher. Außerdem, betont Niels Brüggen, dokumentierten die Zahlen nur bedingt Austritte aus Facebook, sondern vor allem eine geringere aktive Teilnahme an der Plattform.

Und schließlich gibt es da ja noch die Nutzer, die älter als 35 sind. Sie bleiben der Plattform weiterhin treu. Und auch das lässt sich erklären. Sie interessieren sich häufiger für Unternehmens- und Politikseiten und erfahren dort, was für sie relevant ist. Außerdem begnügen sie sich oft mit einem Internetportal, auf dem sie sich vernetzen können. Ihre Kinder suchen zunehmend nach neuen Räumen, in denen sie unter sich sein können. Facebook ist erwachsen geworden.

Autor: Christian Ignatzi

Redaktion: Beate Hinrichs


Sigurd A.Röber

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